Besondere Begleitung

Von Wiesbaden aus hatte ich mit Rainer und Bettina zwei Tage lang eine ganz besondere Begleitung in den Taunus hinein. Rainer und Bettina unterstützen mein Projekt mit ihrer Rainer Beck Stiftung für Kunst und Leben, die einen Großteil der Kosten für meine Projektmanagerin Rebecca übernimmt – wofür ich ihnen sehr dankbar bin. Die Stiftung fördert in den Bereichen Kunst, Heilung und Gesundheit und verbindet diese miteinander. Da ich auf meiner Tour auch Kliniken oder sogar ein Hospiz besuchen möchte, um dort Menschen zuzuhören, und dem tiefen Zuhören ohnehin eine gesellschaftliche Heilkraft zuschreibe, passt diese Förderung in besonderer Weise zu meinem Projekt.
Was mich daran am meisten freut, ist, wie intensiv Rainer und Bettina mein Projekt begleiten. Schon in der Vorbereitung zeigten sie großes Interesse, und dass sie sich nun auf eine zweitägige Wanderung in der Stille mit mir eingelassen haben, bestätigt dieses gelebte Engagement noch einmal. Für mich war es gleich mehrfach ein Geschenk: die Begleitung zweier sehr netter Menschen, eine Nacht im Hotel – und, weil Bettina meinte, ich hätte ohnehin schon genug Vespermahlzeiten unterwegs, auch gutes Essen bei zwei hervorragenden Italienern.
Rainer ist für mich ein klassischer schwäbischer Unternehmer: ein unermüdlicher Geist, neugierig und offen – und immer in Bewegung. So hat er es zu großem Erfolg gebracht, aber er kommt auch mit 72 Jahren noch schwer zur Ruhe. 37 Jahre lang leitete er seine Firma, die er erst letztes Jahr übergab, doch das hohe Tempo hat er noch nicht abgelegt.
Ich kannte die beiden schon aus einem meiner 8-wöchigen Achtsamkeitskurse und war nun gespannt, ob die Wanderung vor allem Rainer etwas entschleunigen würde. Auch für sie war es ein neues Erlebnis, mehrere Tage zu wandern – und das in der Stille, mit leichtem Gepäck und angekündigtem Regen. Trotzdem ließen sie sich auf dieses Abenteuer ein. Von Wiesbaden aus gingen wir nach Schlangenbad, wo wir übernachteten, und am nächsten Tag weiter über die „Kalte Herberge“, die höchste Erhebung des Rheingaus, bis ich sie in einem kleinen Dorf wieder an den Bus brachte.
Und wieder einmal hat es mich erstaunt, was es mit Menschen macht, wenn sie mich über längere Zeit begleiten. Am zweiten Tag war Rainer mit einer ganz anderen Energie unterwegs: ruhiger, mehr bei sich selbst. Die Zutaten sind einfach – Gehen in der Natur, bewusstes Schweigen, kleine Achtsamkeitsübungen und kurze Momente des Innehaltens. Schon ein etwas langsameres Tempo kann bewirken, dass Menschen aus ihrem gewohnten Trott kommen.
Besonders prägend war für Rainer eine Übung zur Atmung. Wegen einer Nasenscheidewandverkrümmung atmet er oft durch den Mund. Ich bat ihn, sein Tempo so anzupassen, dass er auch bei Steigungen nur durch die Nase atmete. Das erfordert große Aufmerksamkeit und holt einen immer wieder ins Hier und Jetzt zurück. Rainer hat das zwei Tage lang durchgezogen – und der Effekt war deutlich zu spüren.
Auch für mich ist die Atmung ein wichtiger Geschwindigkeitsregler. Wenn ich mit meinem 20-Kilo-Rucksack einen Berg hinaufsteige und merke, dass ich durch den Mund atme, weiß ich, dass ich zu schnell bin. Dann verlangsame ich meinen Schritt, kehre zur Nasenatmung zurück und verhindere so, dass ich in den Kampfmodus verfalle, in dem es nur noch darum geht, „den Berg zu bezwingen“. Mit der Nasenatmung kann ich die Steigung gelassener angehen und komme besser durch.
Nach diesen Tagen hatte ich das Gefühl, dass es für Rainer und Bettina nicht die letzte mehrtägige Tour gewesen ist. Beide waren spürbar angetan von der Wirkung dieser Erfahrung – und ich habe mich sehr darüber gefreut.
Doch neben Bewegung, Achtsamkeit und Atmung gibt es noch einen weiteren Aspekt, der meine Begleiter:innen entschleunigt und zur Ruhe bringt. Davon möchte ich in einem späteren Beitrag erzählen.
Rainer:
„Wandern mit leichtem Gepäck ist viel anspruchsvoller als erwartet. Die Zusammenstellung des Gepäcks allein ist eine schwierige Aufgabe, da es eine bewusste Auswahl zu treffen gilt und die Ordnung im Rucksack optimiert werden sollte. Aber es hat sich gelohnt: Wir haben uns tatsächlich leichter gefühlt. Eindrucksvoll war es auch, aus der Stadt oder der Ortsmitte in kurzer Zeit zu Fuß mitten in der Natur zu sein und dort gemeinsam die Stille zu genießen. Es war auch immer wieder eine Herausforderung, die in der Stille viel eher spürbaren Einflüsse der Zivilisation möglichst auszublenden und sich auf das Schöne der Umgebung und auf den eigenen Atem zu konzentrieren.
Nach zwei Tagen zusammen mit Daniel kann ich nur feststellen, dass ich gelernt habe, die Stille anzunehmen und zu genießen. Bettina und ich möchten auf jeden Fall versuchen, Daniel noch einmal für eine Etappe auf seiner Wanderschaft zu begleiten.“
