Tag 106 – Köln

Als ich nach einigen Tagen zu Hause wieder nach Köln fuhr, war alles offen.
Es gab keine festen Zusagen mehr für Stationen auf meinem Weg – die beiden Institutionen in Köln und Düsseldorf, die zunächst Interesse gezeigt hatten, konnten mein Projekt wegen Personalmangels doch nicht beherbergen.
Nur aus Leverkusen kam kurzfristig eine Einladung einer Gemeinde, die mir für zwei Nächte eine Unterkunft anbot und schauen wollte, was sich dort noch organisieren ließe. Doch durch den Tag der Deutschen Einheit war das Wochenende verlängert, und die Chance, das Projekt noch rechtzeitig zu bewerben, gering. Außerdem gab es noch eine Institution in Essen, die interessiert war, aber erst klären musste, ob sie auch eine Unterkunft für mich finden würde. Der Weg über Essen hätte jedoch eine Umplanung meiner Route bedeutet – und mögliche Übernachtungen in Düsseldorf wären damit hinfällig gewesen. Ich war etwas ratlos, wie es nach Köln weitergehen sollte.
Mein Plan war zunächst, zwei Nächte bei meiner Freundin Katharina, einer Performancekünstlerin, und ihrer Familie zu verbringen – und mich dann mit meinem Schild „Ich höre zu“ in Köln auf eine belebte Bank zu setzen. Ohne Bühne, ohne Institution, einfach so. Menschen, die jemanden brauchen, der ihnen zuhört, gibt es schließlich genug – besonders in einer großen Stadt wie Köln.
Das Wetter machte die Idee allerdings fraglich. Schon Tage zuvor hatten die Vorhersagen Sturmböen und starken Regen angekündigt. Ich war froh, dass ich an diesem Tag nicht vor hatte, zu wandern. Am Samstagmorgen war das Unwetter da. Erst am Nachmittag sollte es kurz aufklaren. Trotz Wind und Schauern machte ich mich auf den Weg Richtung Chlodwigplatz. Zwischen dunklen Wolken blitzte dann aber immer wieder mal Sonne hervor.
Als ich schließlich dort saß, kam mir alles absurd vor. Es war ungemütlich, windig, nasskalt. Wer sollte sich da neben mich setzen und seine Geschichte erzählen? Ich zweifelte, ob das, was ich da tat, überhaupt Sinn ergab.
Doch kaum zwei Minuten später blieb ein Fahrrad neben mir stehen. Ein Student fragte, ob ich das ernst meine – mit dem Zuhören. Ich nickte, reichte ihm mein Kärtchen, und er setzte sich. Nur ein paar Minuten wolle er bleiben, sagte er.
Es wurden fast dreißig. Er erzählte von sich, von seinem Leben, und ich hörte zu.
Da wurde mir bewusst, dass ich an meinem eigenen Vertrauen arbeiten durfte – ich hatte gar nicht wirklich geglaubt, dass jemand kommen würde.
Kurz nachdem er gegangen war, traf auch Hans-Georg ein, ein Teilnehmer aus einem Achtsamkeitspilgerworkshop, den ich im Frühjahr in der Pfalz geleitet hatte. Genau in diesem Moment begann es wieder zu regnen. Wir suchten Zuflucht in einem Café, tranken Kaffee und sprachen – oder besser gesagt: er sprach, ich hörte zu. Als der Regen endete, war es Zeit, den Heimweg anzutreten.
Ob es Zufall war, dass sich so schnell jemand neben mich setzte, oder ob dieses spontane Zuhören im öffentlichen Raum wirklich eine Alternative zu geplanten Kooperationen sein kann, bleibt offen.
Der Winter wird sicher nicht die Zeit sein, in der man sich entspannt auf eine Bank setzt, um einfach zu erzählen, wie es einem geht.
Aber dieser Tag hat mir gezeigt, dass es möglich ist – und dass Zuhören manchmal genau dort geschieht, wo man es am wenigsten erwartet.